Unternehmen können sich mittlerweile alles erlauben! – So denken wohl nicht wenige. Ob Greenwashing oder Steuerhinterziehung, nach dem ersten großen Medienaufschrei sind die meisten Vergehen auch schnell wieder vergessen. Der Tatbestand der unerlaubten Telefonwerbung findet dahingegen nur selten überhaupt den Weg in die großen Medien. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: In letzterem Beispiel werden Privatpersonen ohne Unterlass belästigt und sind oft einem permanenten Telefonklingeln ausgesetzt. Aber lohnt es sich überhaupt, solche Nummern zu melden? Dauern die Bearbeitungsprozesse nicht viel zu lang? Nein, meint Thomas Wrobel, unser Spam-Schutz-Experte. Denn die ergriffenen Maßnahmen zeigen Wirkung und darüber hinaus: Betroffene wissen oft gar nicht, dass sie von gewissen Rechten Gebrauch machen können und auch sollten, um Firmen wieder in ihre Schranken zu weisen. Wann eine Beschwerde eingereicht wird und wo Unternehmen in der Dokumentationspflicht stehen, erläutert er hier.
Dokumentationspflicht bei Telefonwerbung: rechtswidrig ohne Einwilligung
Der telefonische Weg wird häufig von Unternehmen genutzt, um Neukunden anzuwerben oder Bestandskunden mit unschlagbaren Angeboten zu binden. Meist beauftragen die werbenden Firmen Call-Center mit der Aufgabe. Viele Verbraucher empfinden diese Art des Direktmarketings als besonders lästig, weil die Anbieter mit dem Nutzen der privaten Telefonnummern aktiv in die Privatsphäre der Betroffenen eingreifen. Allein im Jahr 2022 sind bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) insgesamt 79.702 Beschwerden über Telefonwerbung eingegangen. Auch diese Zahl bestärkt das am 28. Mai 2022 beschlossene Gesetz, welches Unternehmen einer Dokumentationspflicht unterwirft. Privatpersonen müssen in den Erhalt von Telefonwerbung einwilligen – ob die Erlaubnis mündlich oder schriftlich erteilt wird, spielt keine Rolle. Genauso können die Betroffenen das Einverständnis jederzeit zurückziehen. Liegt keine dokumentierte Einwilligung vor, verstoßen werbende Unternehmen gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und begehen eine Ordnungswidrigkeit. In diesem Fall können Betroffene eine Beschwerde bei der BNetzA einreichen.
Manipulation und Verschleierung: Telefonanbieter helfen bei der Identifikation
Firmen sind nicht nur dazu verpflichtet, die Einwilligung in die Telefonwerbung zu dokumentieren und fünf Jahre lang aufzubewahren, sondern dürfen darüber hinaus ihre Rufnummer nicht verschleiern. Unterdrücken Firmen ihre Nummer oder lassen bei den Kontaktierten absichtlich eine manipulierte Ziffernfolge anzeigen, verstoßen sie gegen die Regelung §15 Abs. 2 des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG). Verbraucher, die sich über eine solche Ordnungswidrigkeit bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) beschweren wollen, sollten unbedingt angeben, ob die Nummer auf dem eigenen Display unterdrückt oder offensichtlich manipuliert wurde. Das lässt sich einerseits mithilfe von spezialisierten Apps erkennen. Auf der anderen Seite ist ein Blick auf die Länge der angezeigten Rufnummer hilfreich: Ist die Ziffernfolge deutlich zu kurz oder verdächtig lang, handelt es sich womöglich um Manipulation. Auch die Telefonanbieter können klären, wie die ursprüngliche Rufnummer lautet und diese an die BNetzA weiterreichen. Verbraucher haben hingegen keinen direkten Zugriff auf diese Informationen, da sie aus Datenschutzgründen verschlüsselt sind. Umso wichtiger ist es daher, alle relevanten Informationen an die Bundesnetzagentur weiterzuleiten. Dazu gehört unter anderem die eigene Rufnummer, aber auch Datum sowie Uhrzeit des eingegangenen Anrufs.
Der Handel mit den Daten: Die Verantwortung liegt bei den Verbrauchern
Doch woher erhalten die Unternehmen und Call-Center die Telefonnummern und andere Daten? Adress- oder Datenhändler verkaufen sogenannte Werbeeinwilligungen, die oft in den AGBs versteckt sind, an Unternehmen. Meist sind die erworbenen Daten schon stark veraltet, weshalb Verbraucher bei Werbeanrufen immer nachhaken sollten, ob ein Nachweis über die Dokumente vorliegt und zugeschickt werden kann. Weder mit dem Kauf noch Verkauf von personenbezogenen Daten machen sich Firmen strafbar, da der eigene Name, die Wohnanschrift und auch die Telefonnummer nicht zu den besonders schützenswerten Daten zählen. Ginge es um Informationen über politische Gesinnungen, ethnische Herkunft oder Gesundheitsdaten, sähen die Dinge wiederum anders aus. Verbraucher sind daher dazu angehalten, die Offenlegung ihrer persönlichen Informationen jederzeit kritisch zu hinterfragen: Sind optionale Angaben in Formularen wirklich notwendig? Auch die Datenschutzerklärung zu lesen kann vor lästiger Telefonwerbung schützen. Zudem verfügen Nutzer über das Auskunftsrecht, von dem Gebrauch gemacht werden sollte. So lässt sich herausfinden, welche Daten zur eigenen Person wo gespeichert werden.
Folgen unerlaubter Telefonwerbung: Anstieg der Strafgelder um das 30-fache
Wenn auch der Datenhandel ohne Konsequenzen betrieben werden kann, so handelt es sich bei Rufnummernunterdrückung sowie -manipulation um Ordnungswidrigkeiten. Gleiches gilt für die Werbung ohne Einwilligung der Betroffenen. Solche „unzumutbaren Belästigungen“ werden als geringfügige Rechtsverletzungen mit hohen Bußgeldern geahndet. Wichtig zu wissen ist, dass nicht die Polizei, sondern die Bundesnetzagentur für die Verfolgung dieser Ordnungswidrigkeiten zuständig ist. Verbraucher reichen also Beschwerden ein, eine Anzeige wird nur im Fall von Straftaten erstattet. Auch können lediglich Privatpersonen Beschwerden erheben, da die Telefonwerbung einen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Sollten beispielsweise Freiberuflern telefonisch Angebote unterbreitet werden, ist der Anrufgrund ausschlaggebend: Hat das Unternehmen für Produkte im beruflichen Kontext geworben oder einen privaten Handyvertrag angepriesen?
Eine unterlassene Dokumentationspflicht kann die Firmen bis zu 50.000 Euro Strafe kosten, wobei diese Summe noch das kleinste Übel wäre. Liegen ausreichend Beweise vor, dass unerlaubte Telefonwerbung betrieben oder sogar die Rufnummer verschleiert wurde, drohen den Firmen Bußgelder in Höhe von bis zu 300.000 Euro. Noch bis zum 01. Dezember 2021 beliefen sich die Beträge auf maximal 10.000 Euro – das Strafmaß ist seither also um das 30-fache angestiegen. Welche Bußgelder in den vergangenen Jahren verhängt wurden, listet die BNetzA hier.
Lästige Anrufe melden: Wider Erwarten effektiv
Oft entsteht bei Verbrauchern der Eindruck, dass das Melden von nervigen Daueranrufern keinerlei Wirkung zeigt. Entweder sei die Bearbeitungszeit zu langwierig oder aber das Meldeverfahren würde nicht konsequent verfolgt werden. Doch das ist ein Irrtum! Insbesondere Unternehmen können nicht einfach frei über die Ihnen vorliegenden Daten verfügen. Deshalb sollten diese Firmen unbedingt in die Schranken gewiesen werden. Wer keine Werbeeinwilligung abgegeben hat, darf unbedingt Gebrauch von dem Einreichen einer Beschwerde machen. Ein Beispiel der mobilcom debitel zeigt, dass die Meldungen bei der BNetzA definitiv Gehör finden: Gegen die Freenet-Mobilfunktochter wurde im Juli 2020 eine Geldbuße in Höhe von 145.000 Euro verhängt. Bestandskunden wurden unerlaubterweise zu Werbezwecken kontaktiert, damit sie ein neues Abonnement abschließen können.